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Alphabet

In den romanischen und indogermanischen Sprachen, die mit Vokalen durchsetzt sind, ist das Alphabet ein spezifischer Typografischer Zeichen, die akustische Wahrnehmungen visu- ell codieren und derenText als „Partitur einer akustischen Aussage“ (Die Schrift, 2002, S. 27) gelesen werden kann. Das Alphabet, Vilém Flus- ser zufolge geschaffen für die lineare Notierung und zuständig für die Darstellung historischen Wissens, stellt die alphanumerischen Codes an die Seite von Ziffern – Zeichen für Quantitäten – und Zeichen für Sprachnormierung wie etwa Kommata, Punkte, Anführungszeichen, Klammern etc.

Von der griechischen Philosophie über die mittelalterliche Theologie bis hin zur modernen Wissenschaft ermöglichte die Erfindung des Alphabets die Schaffung kritischer und konzeptueller Diskurse. Dabei formt das Alphabet eine Logik diskursiven und linearen Bewusstseins, jenseits der Bilder vor der Schrifterfindung. Die zirkulare Ableitung der numerischen Decodierung wird durch eine diskursive und lineare Logik der Schrift ersetzt. Daher setzte die durch alphabetische Technik entstandene „Bewältigung“ der Ziffern durch die Buchstaben die Transformation des bildhaften Denkens in ein linear-diskursives Denken in Gang. DieTransformation (transmutatio) der mythischen und oralen Erfahrung des Wortes in Schrift oder des akustischenWortes in linear angeordnete Buchstaben offenbart die ikonoklastische Absicht der Erfinder des Alphabets, vergleichbar mit der Unterordnung der Ziffern unter die Buchstaben. „Das Alphabet als Partitur einer gesprochenen Sprache erlaubt, diese mit dem Sprechen erklommene Transzendenz den Bildern gegenüber festzuhalten und zu disziplinieren.“ (ibid., S. 34)

Die zirkulareTranszendenz der mythischen und numerischen Ausdrucksweisen wurde durch die alphabetisch-konzeptuelle Ordnung und die visuelle Codierung derTöne festgehalten. Die alphabetische Schrift domestizierte auf diese Weise das akustische Bewusstsein zugunsten einer Struktur des logischen Denkens der Sprache, das imstande ist, dem plastischen Bewusstsein der Bilder nicht zu unterliegen. Wäre die „Emigration“ des alphanumerischen Codes hin zum digitalen Code nicht Ausdruck eines neuen – wieder bildhaften – Bewusstseins, könnten wir vermuten, dass die Bergung dieses archäologischen Szenariums etwas inadäquat erscheinen würde angesichts der neuen Plastizität der technischen Szenarien des virtuellen Bildes. Das mit dem neuen Code korrespondierende Denken ist postalphabetisch, und aus ihm heraus bildet sich ein neues posthistorisches Bewusstsein.

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de/alphabet.txt · Zuletzt geändert: 2021/11/05 17:51 von 127.0.0.1