Apparat
Der Begriff Apparat und die Untersuchung der ihm zugrunde liegenden allgemeinen Vorstellun- gen durchdringen – direkt und indirekt – das gesamte Schaffen Vilém Flussers. Es handelt sich dabei wahrscheinlich um das in seinem Denken am häufigsten wiederkehrende Konzept. In seinenTexten findet sich der Begriff erstmals im Manuskript seiner ersten Monografie Das zwanzigste Jahrhundert (1957, S. 122). Die Genealogie des Begriffs lässt sich in Flussers intellektuellem Universum deutlich als Zusammenspiel von Elementen ausWerken von JohannWolfgang von Goethe, José Ortega y Gasset, Martin Heidegger und Franz Kafka nachvollziehen.
Die Bedeutung von Apparat hat sich, den vier Hauptphasen der literarischen Produktion Flus- sers entsprechend, mehrere Male verändert. Das Konzept des Apparats bildet sich in den 1950er-Jahren als Verschmelzung des Bildes des alchemistischen Homunkulus aus Goethes Faust II und Ortega y Gassets Konzept des technischen Apparats heraus; in dieser Phase ist der Appa- rat für Flusser also etwas ontologisch vom Men- schen Unterschiedenes. In den 1960er-Jahren ver- mischt sich diese Bedeutung mit kybernetischen Theorien. Flusser bezieht den Begriff auch auf Friedrich Nietzsches Begriff des Übermenschen (A História do Diabo, 1965, S. 131) und stellt her- aus, dass der Apparat nicht res extensa sei (Até a Terceira e Quarta Geração, 1965, S. 311). In den späten 1970er-Jahren verankert Flusser die Idee des Apparats in seiner im Entstehen begriffenen Kommunikationstheorie, wobei er sie mit den Konzepten der Nachgeschichte, der technischen Bilder und der technischen Imagination verbindet (Umbruch der menschlichen Beziehungen, 1977/1978, veröffentlicht als: Kommunikologie, 1996; Nachgeschichten, 1990; Nachgeschichte, 1993). In den 1980er-Jahren nimmt der Apparat im Bild des Vampyroteuthis infernalis eine organische Form an (Vampyroteuthis infernalis, 1987), zuvor war er zu einer Blackbox geworden (Für eine Philosophie der Fotografie, 1983; Ins Universum der technischen Bilder, 1985).
Generell betrachtet, besitzt das endgültige Modell des Flusser’schen Apparats in seinen gesellschaftspolitischen und philosophischen Dimensionen keinen scharf umrissenen Kern; es funktioniert nicht linear und historisch, sondern auf automatische Weise ziellos, postindustriell, einem Programm folgend (nachgeschichtlich), sich ständig über eine Rückkoppelungsschleife zwischen Apparat und Funktionären des Appa- rats transformierend. Vilém Flussers Konzept des Apparats legt also den Grad der Bedeutung des Apparats – sowohl als Modell als auch als Instrument – basierend auf den verschiedenen ontologischen Beziehungen fest, die wir mit ihm herstellen.