[12:16 – 12:55] Vilém Flusser zufolge war das politische Bewusstsein bzw. das politische Denken nie so ausgeprägt wie während der Aufklärung im 18. Jahrhundert. Voraussetzung dafür war unter anderem die Erfindung des Buchdrucks, durch die die Schrift als Medium nach und nach das Bild verdrängen konnte.
[9:00 – 11:18] Das lineare Schreiben steht in direktem Zusammenhang mit dem politischen Bewusstsein. Vor der Schrift verfügte der Mensch lediglich über das Bild, um sich die ihn umgebende Welt anzueignen. Das Bild ist mit einem magisch-mythischen Bewusstsein verbunden: alles kehrt immer wieder, es gibt kein Vorher und kein Nachher, keine Ursache und keine Wirkung. Erst durch die Schrift werden Dinge, die passieren, in eine Reihenfolge gebracht, wodurch ein historisches Bewusstsein entsteht. Der Mensch kann die Welt nun als Prozess wahrnehmen. Ereignisse sind singulär und treten nacheinander auf, sie haben Grund und Effekt.

Dieses historische Bewusstsein entspricht einem politischen Bewusstsein, denn für politisches Denken und Handeln ist eine Intentionalität, die sich aus einem Verständnis für Ursache und Wirkung ergibt, notwendig. Diese Form des Denkens, die eine Verbindung zu Konzepten wie Rationalität und Fortschritt aufweist, ist zunächst eine eher positiv konnotierte. [14:23 – 15:24] Flusser geht jedoch in Anlehnung an Hegel davon aus, dass das politische Bewusstsein immer ein unglückliches ist. Politik ist für ihn die Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen domus und forum. Der Mensch muss das Haus verlassen, um sich die im öffentlichen Raum zugänglichen Informationen zu beschaffen, und sie dann mit nach Hause nehmen und dort rezipieren. Dabei bedeutet jeder Gang in den öffentlichen Raum einen Verlust des Selbst, jede Rückkehr in den privaten Raum einen Verlust der Welt. Aus diesem Grund ist das politische immer auch ein unglückliches Bewusstsein.